Blog

Educate

Kommunikation 2.0 - Zwischen Museumsvermittlung und neuen Technologien

03.08.2015

Interview mit Friederike Lassy-Beelitz

Die Welt der Kunst steckt voller Geheimnisse, die es zu entdecken gibt. Digitale Kommunikationsplattformen können helfen eine emotionale Brücke zwischen Betrachter und Kunstwerk aufzubauen. Friederike Lassy-Beelitz ist seit zwanzig Jahren in der Kunstvermittlung tätig und erklärt wie sich ihr Museum- die Wiener Albertina - den neuen Herausforderungen stellt.

Wie stellt sich das Museum der zunehmenden Digitalisierung der Welt?

Es gibt drei große Bereiche - Im Internet – das sind die Websites, mit denen sich Museen und ihre Programme vorstellen. Mit der Internetpräsenz wird nicht nur Marketing gemacht, sondern Service geleistet: Im Fall der Albertina sind große Teile der digitalisierten Sammlung online abrufbar. 

Für die Kunstvermittlung sind Gruppenführungssysteme ein wesentliches Hilfsmittel. Diese Führungsgeräte haben den Vorteil, dass bei persönlichen Führungen kein Lärmpegel entsteht. Diese Gruppenführungssysteme sind im Laufe der Jahre intelligenter geworden. Es ist mittlerweile möglich, dass diese Systeme mittels Schnittstellen erkennen, an welchem Ort sich der Empfänger befindet: Gezielt werden Inhalte zugespielt. Musik-Atmosphären, Videos oder andere Bilder unterstützen damit die Führung.

Das nächste digitale Tool, das in Führungen eingesetzt wird, sind Tabletcomputer. Auch diese liefern Hintergrundinformationen, sei es Text-, Bild-, Ton- oder Videomaterial. Das ist angenehm und abwechslungsreich für die Besucherinnen. Den Ausstellungsmachern bietet dieses Tool gleichzeitig den Vorteil, dass diese Art von Hintergrundinformationen die ästhetische Gestaltung eine Ausstellung nicht beeinträchtigt. Lassen Sie mich ein Beispiel bringen: Die Albertina verfügt über eine Vielzahl an meisterhaften Grafiken. Einige dieser Grafiken sind völlig selbstständig erstanden, andere sind Skizzen für fertige Gemälde, Fresken, Publikationen. In diesem Zusammenhang ist es schön, wenn man mit Tablets kunsthistorische Verbindungen herstellen kann. Eine Zeichnung, die eine Skizze für ein Fresko ist, erscheint bei der Betrachtung auf einmal in einem ganz anderen Licht. Tablets helfen also dabei, entweder eine Wissensbrücke oder eine emotionale Verbindung zwischen Kunstwerk und Betrachter zu bauen.

Ein weiterer Einsatzbereich von digitalen Devices in der Kunstvermittlung ist der Multimediaguide. Meistens besteht ein Multimediaguide aus einer App, die den Guide, Internetpräsenz und interaktive soziale Plattformen miteinander verbindet.

Die Multimediaguides werden bei manchen Vermittlungsprogrammen mit Schulklassen eingesetzt. Wie waren die Reaktionen und der Umgang mit den Tablets?

Die emotionale Verbindung zwischen Kunstwerk und Betrachter ist umso einfacher oder intensiver, wenn ein Kunstwerk eine persönliche Relevanz erhält. Das passiert, wenn sich der Besucher selbst mit dem Werk aktiv auseinandersetzt, entweder in Gedanken, oder im Austausch mit anderen beziehungsweise auch im praktischen Tun. Tablets sind ein technisches Medium, das für junge Besucher mittlerweile alltäglich ist und die damit ganz selbstverständlich umgehen, - und die diese Geräte auch gerne benützen! Wir haben gelernt, dass vor allem Schülerinnen begeistert auf diese Geräte zurückgreifen: gerade für Jugendliche, die ein Museum selten besuchen, ist ein Tablett oder ein Handy der einzig vertraute Gegenstand, dem sie in einer Ausstellung begegnen. Umso dankbarer sind sie, wenn sie dieses bedienen dürfen, um sich die Ausstellung anzueignen.

Werden mit dem Multimediaguide neue Wege beschritten, bzw. werden damit versucht neue Besuchergruppen zu mobilisieren um das Museum moderner zu machen?

Wenn Multimediaguides die einzige Marketingstrategie wären, um neue Besucher anzusprechen, hielte ich das für problematisch. Wenn ein Museum das Imageproblem hat, dass es als verstaubt wahrgenommen wird, dann wird es dieses Problem auch nicht mit einer coolen App, oder einem lässigen Facebook-Auftritt lösen können.

Die Zurverfügungstellung eines Multimediaguide ist nur ein kleiner Baustein, der ein attraktives Museum um ein Angebot reicher machen kann, aber ein an sich sonst kommunikationsarmes Museum nicht retten wird.

Ich halte auch nichts von der Theorie, dass ein Multimediaguide neue Besucherschichten erschließen könnte. Seit den letzten fünf Jahren verfügen wir über sehr fundierte „Nicht-Besucher“-Forschung. Die größten Barrieren, die Menschen daran hindern, ins Museum zu gehen sind, dass das Museum zu weit entfernt, bzw. zu teuer ist, oder dass man sich deplatziert fühlt. Die größte Barriere ein Museum zu besuchen, ist die fehlende Begleitung! Diese Barrieren kann ein Multimediaguide nicht durchbrechen. Multimediaguides sind ein willkommenes Angebot für Besucher, die ohnehin schon Museumsgänger sind. Sie können dazu beitragen, dass Stammbesucherinnen auf neue Art und Weise vielleicht neue Aspekte einer Ausstellung kennenlernen.

Welche Möglichkeiten bietet der Multimediaguide für das Museum als Vermittlungstool?

Die Kombination von mehreren Medien, sprich Audio, Videos und Bilder bzw. Text erhöhen die Wahrscheinlichkeit, beim Besucher „anzudocken“. Das macht einen Multimediaguide als Vermittlungstool spannend! Auch ist es ein Vorteil, dass der Besucher seinen Weg selbst aussuchen kann, seinen eigenen Interessen nachgehen kann – und, wenn es die Datenbank im Multimediaguide vorgesehen hat, - sich mit weiteren Informationen zu versorgen.

Welche Erfahrungen hat die Albertina mit den Multimediaguides gemacht?

Die Albertina hat sehr gute Erfahrungen mit den Guides gemacht. Wir versuchen, die Benutzung so interaktiv wie möglich zu gestalten. Der Multimediguide steht auf drei Schienen. Die erste ist der klassische Audioguide. Die zweite Schiene besteht aus interaktiven Elementen, die den Besucher auffordert, selbst tätig zu werden. Sei es als Kurator, der die Wandfarbe für den Raum bestimmt, die Rahmungen von Bildern festsetzt, oder über die Hängung von Kunstwerken entscheidet. Oder sich selbst im Sinne eines Kunstwerkes inszeniert. Die dritte Schiene bedient die Kommunikation, einerseits mit den bestehenden sozialen Netzwerken, andererseits mit anderen Besucherinnen, die auch dieses Gerät in der Hand haben. 

Ziel des Multimediaguides ist es, dass die BetrachterInnen zum Original hingeführt werden: Im Vordergrund steht die Betrachtung des Originalwerkes. Das Device ist nur ein Mittel zum Zweck.

Was sind die Erwartungshaltungen der Museen hinsichtlich technischer Devices?

Besucherzahlen zu steigern, Kundennähe, Lebensnähe und Relevanz zu demonstrieren. Alle diese großen Erwartungen sollen diese kleinen Geräte erfüllen!

Museen haben gerne Angst, „im Elfenbeinturm“ beheimatet zu sein, sie fürchten „uncool“ zu sein: Dabei besitzen Museen das „Coolste“ überhaupt: – nämlich Originale!


Friederike Lassy-Beelitz studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Musikwissenschaften in Wien und München. Seit 1995 freie Vermittlerin für die Österreichische Galerie Belvedere, Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste sowie selbständige Kulturvermittlerin für zeitgenössische Kunst im öffentlichen Raum. Seit 2002 Mitarbeiterin der Albertina Kunstvermittlung. 

Präsidentin des Österreichischen Verbandes der KulturvermittlerInnen im Museums- und Ausstellungswesen, Vorstandsmitglied des Museumsbund Österreich.